Die Lokomotive In Kunst-witz Und Karikatur
År: 1922
Forlag: Hannoverische Maschinenbau-Actien-Gesellschaft
Sted: Hannover-Linden
Sider: 170
UDK: 625.282(06) Han
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HANOMAG, HANNOVER-LINDEN
Beiligen“. In beiden schildern die Dichter mit feiner Beobachtung und Nachempfindung die Ge-
fühle in der Seele des einfachen Landbewohners, der zum ersten Male eine Lokomotive sieht und sich
das Ungeheuer nicht zu erklären, vermag. Wie schwer fällt es ihm, welche Furcht und Abneigung hat
er zu überwinden, ehe er sich dem ungewohnten Pahrzeug auf 1 od und Leben anveitraut!
Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß.
Peter Rosegger.
„... .Meinetweg,“ sagte mein Vater, „da kann der
Bub gleich die neue Eisenbahn sehen, die sie über den
Semmering jetzt gebaut haben. Das Loch durch den
Berg soll schon fertig sein.“
„Behüt uns der Herr,“ rief der Pate, „daß wir das
Teufelszeug anschaun! ’s ist alles Blendwerk, ’s ist alles
nicht wahr.“
„Kann auch sein,“ sagte mein Vater und ging davon.
Ich und der Pate machten uns auf den Weg; wir gingen
über das Stuhleckgebirge, um ja dem Tale nicht in die
Nähe zu kommen, in welchem nach der Leut’ Reden der
Teufelswagen auf und ab ging. Als wir aber auf dem
Hohen Berge standen und hinabschauten in den Spitaler-
boden, sahen wir einer scharfen Linie entlang einen
braunen Wurm kriechen und darüber ein Rauchwölklein
schweben.
„Jessas Maron!“ schrie mein Pate, „das ist schon so
was! Spring Bub!“ — und wir liefen die entgegengesetzte
Seite des Berges hinunter.
Gegen Abend kamen wir in die Niederung, doch —
entweder der Pate war hier nicht wegkundig, oder es
hatte ihn die Neugierde, die ihm zuweilen arg zusetzte,
überlistet, oder wir waren auf eine „Irrwurzen“ gestiegen
— anstatt in Mariaschutz zu sein, standen wir vor einem
ungeheuren Schutthaufen, und hinter demselben war ein
kohlfinsteres Loch in den Berg hinein. Das Loch war
schier so groß, daß darin ein Haus hätte stehen können,
und gar mit Fleiß und Schick ausgemauert; und da ging
eine Straße mit zwei eisernen Leisten daher und schnur-
gerade in den Berg hinein.
Mein Pate stand lange schweigend da und schüttelte
den Kopf; endlich murmelte er: „Jetzt stehen wir da.
Das wird die neumodische Landstraßen sein. Aber der-
logen ist’s, daß sie da hineinfahren!“
Kalt wie Grabesluft wehte es aus dem Loche. Weiter
hin gegen Spital in der Abendsonne stand an der eisernen
Straße ein gemauertes Häuschen; davor ragte eine hohe
Stange, auf dieser baumelten zwei blutrote Kugeln.
Plötzlich rauschte es an der Stange, und eine der Kugeln
ging wie von Geisterhand gezogen in die Höhe. Wir
erschraken baß. Daß es hier mit rechten Dingen nicht
zuginge, war leicht zu merken. Doch standen wir wie
festgewurzelt.
„Pate Jochen,“ sagte ich leise, „hört Ihr nicht so ein
Brummen in der Erden?“
„Ja freilich, Bub,“ entgegnete er, „es donnert was!
es ist ein Erdbidn (Erdbeben).“ Da tat er schon ein
kläglich Stöhnen. Auf der eisernen Straße heran kam
ein kohlschwarzes Wesen. Es schien anfangs stillzu-
stehen, wurde aber immer größer und nahte mit mächtigem
Schnauben und Pfustern und stieß aus dem Rachen ge-
waltigen Dampf aus. Und hinterher —
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„Kreuz Gottes!“ rief mein Pate, „da hängen ja ganze
Häuser dran! Und wahrhaftig, wenn wir sonst gedacht
hatten, an das Lokomotiv wären ein paar Steirerwäglein
gespannt, auf denen die Reisenden sitzen konnten, so
sahen wir nun einen ganzen Marktflecken mit vielen
Fenstern hcranrollen, und zu den Fenstern schauten
lebendige Menschenköpfe heraus, und schrecklich schnell
ging’s, und ein solches Brausen war, daß einem der Ver-
stand still stand. Das bringt kein Herrgott mehr zum
Stehen! fiels mir noch ein. ba hub der Pate die beiden
Hände empor und rief mit verzweifelter Stimme: „Jessas,
Jessas, jetzt fahren sie richtig ins Loch!“
Und schon war das Ungeheuer mit seinen hundert
Rädern in der Tiefe; die Rückseite des letzten Wagens
schrumpfte zusammen, nur ein Lichtlein davon sah man
noch eine Weile, dann war alles verschwunden, bloß der
Boden dröhnte, und aus dem Loch stieg still und träge
der Qualm.
Mein Pate wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß
vom Angesicht und starrte in den Tunnel.
Dann sah er mich an und fragte: „Hast du’s auch
gesehen, Bub?“
„Ich hab’s auch gesehen.“
„Nachher kann’s keine Blenderei gewesen sein“,
murmelte der Jochen.
Wir gingen auf der Fahrstraße den Berg hinan; wir
sahen aus mehreren Schachten Rauch emporsteigen.
Tief unter unseren Füßen im Berge ging der Dampfwagen.
„Die sind hin wie des Juden Seel’!“ sagte mein Pate
und meinte die Eisenbahnreisenden. „Die übermütigen
Leut’ sind selber ins Grab gesprungen!“
Beim Semmering-Bahnhof sahen wir das Loch auf
der anderen Seite. War auch kohlfinster. — Ein Zug
von Wien war angezeigt. Mein Pate unterhandelte mit
dem Bahnbeamten, er wollte zwei Sechser geben, und
gleich hinter dem Berg, wo das Loch auf hört, wollten wir
wieder absteigen.
„Gleich hinter dem Berg, wo das Loch auf hört, hält
der Zug nicht,“ sagte der Bahnbeamte lachend.
„Aber wenn wir absteigen wollen! meinte der Jochen.
„Ihr müßt bis Spital fahren. Ist für zwei Personen
zweiunddreißig Kreuzer Münz.“
Mein Pate meinte, er lasse sich’s was kosten, aber
soviel wie die hohen Herren könnte er armer Schlucker
nicht geben; zudem sei an uns beiden ja kein Gewicht da.
__ ES half nichts, der Beamte ließ nicht handeln. Der
Pate zahlte; ich mußte zwei „gute“ Kreuzer beisteuern.
Mittlerweile kroch aus dem nächsten, unteren Tunnel
der Zug hervor, schnaufte heran, und ich glaubte schon,
das gewaltige Ding wolle nicht anhalten. Es zischte
und spie und ächzte — da stand es still.
Wie ein Huhn, dem man das Hirn aus dem Kopfe
geschnitten, so stand der Pate da, und so stand ich da.