Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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feinerten Bedürfnissen entsprechen konnte. Der geistlichen Macht standen auch im Norden schon damals reiche geistige
und materielle Kräfte und Mittel zur Verfügung, so dass wir annehmen dürfen, dass auf dem Bischofssitze zu Alt-
Gottorp trotz der Ungunst der Verhältnisse das nicht gefehlt hat, was die weltlichen Grossen sich zu verschaffen im
Stande waren. Wie sonst war wohl auch hier der schon in der Façade markirte „palas“ (palatium), aucli „curia“ und
„coenaculum“ genannt, der Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens und dem entsprechend, wenn auch nicht mit
Ueberfluss, so doch behaglich und anmuthend ausgestattet. Ein erhöhter Sitz für den Bischof, Tische und Stühle nacli
Bedarf herbeigetragen, an den Wänden Bänke, mit Polstern und Kissen belegt, an den Schmalseiten offene Kamine
zur Erwärmung des Raumes, mit Vorhängen versehene, im Winter mit Holzblenden geschlossene Fenster, zur
Erleuchtung da und dort von der getäfelten, mehr oder weniger reich bemalten Balkendecke herabhängende Kron-
leuchter, Arm- und Standleuchter an den Wänden und auf den Tischen — das sind die Gegenstände, mit denen
ungefähr die inneren Räume um diese Zeit, welche in Bezug auf Möbel noch geringe Ansprüche machte, versehen
waren. Unter demselben Dache befanden sich wohl auch noch die „Kemenate“ für die vornehmsten Bewohner
der Burg, wobei wir hier unter dieser Bezeichnung natürlich keine Frauengemächer zu verstehen haben *).
Das Bild von Alt-Gottorp würde nicht vollständig sein, wenn wir nicht auch der Kapelle oder kleinen
Kirche gedächten, welche für die Andachtsübungen des Bischofs, seiner Umgebung sowie der Gläubigen in der
nächsten Nähe der Burg erbaut war. Die Volksüberlieferung verlegt dieses Gotteshaus, dessen Entstehung sie
mit der Gründung Alt-Gottorps in Verbindung bringt, auf eine Erhöhung an dem Wege, welcher auf den öst-
lichen Zugang zur ehemaligen Burg führt. Wolff bemerkt dazu: „Dieser Weg ist früher über den Königsdamm
nach Flensburg gegangen, geht aber jetzt in Folge einer Verlegung nach Arenholz und Lürschau. Dicht neben
diesem Wege erhebt sich der sogen. Kirchberg, allwo die bischöfliche Kapelle gestanden haben soll2).“ In der
That entspricht es mehr dem grofsen Sinne, in welchem die christliche Lehre in die heidnischen Länder getragen
wurde, wenn diese Kapelle in das Land hinaus gebaut war zum Zeichen dafür, dass sie auch für die Bevölkerung
im Umkreise ein Gotteshaus sein sollte, als wenn sie innerhalb des eng umfriedeten, ängstlich bewahrten Burg-
raums gestanden hätte. Mochte auch b^i dem wiederholten Ansturme der Heiden die Kirche oft zerstört werden,
und mussten sich auch die Priester nicht selten hinter die schützenden Burgwälle flüchten, — die Kirche war
zäh und hielt trotz aller Gefahren und Schwierigkeiten an den Einrichtungen und Gewohnheiten fest, welche sie
einmal als förderlich und heilsam erkannt hatte.
Ueber das Material, in welchem dieses Kirchlein ursprünglich erbaut war, können wir nach den vorangehenden
Erörterungen nicht in Zweifel sein. Wohl war die Verwendung von Felsmauern für Kirchenbauten oft zweckmässi-
ger als bei der in diesen Gegenden üblichen Anlage befestigter Plätze. Auch erfahren wir, dass um die Mitte des
11. Jahrhunderts allmählich erratische Blöcke und Tuffsteine3) zu kirchlichen Bauten in Verwendung kamen, —
allein es steht fest, dafs die ältesten Kirchen des Landes, welche zur Zeit des Bischofs Ansgar und später unter
Vicelin durch das immer wieder sich erhebende Heidenthum durch Feuer zerstört wurden, in ihren Haupt-
theilen aus Holz errichtet waren1). Selbst die unter Heinrich dem Löwen im J. 1163 zu Lübeck geweihte
Marienkirche, die 1253 in Bremen erbaute Dominikanerkirche, sowie die nach 1251 zu Mühlhausen errichtete
S. Jodokuskapelle waren noch Holzbauwerke5). Um so mehr ist festzuhalten, dass auch die Bischofskapelle
von Alt-Gottorp aus Holz errichtet war. — Die Errichtung solcher Holzkirchen hatte wohl auch noch einen
tieferen Grund. Die religiöse Verehrung, welche die heidnischen Bewohner jener Gegenden ihren Hainen und
besonders mächtigen, alle anderen überragenden Bäumen in denselben zollten, wurde von den christlichen
Glaubensboten wie so manche andere heidnische Gebräuche und Anschauungen in kluger Umdeutung gerade
durcli die Holzkirchen dem Christenthum dienstbar gemacht. War doch auch das Werkzeug der Erlösung, das
Kreuz, aus Holz gezimmert, und dieses dadurch geheiligt und zu dem würdigsten Material für das Haus des
Herrn geworden! Vor allem aber beruhte die Bedeutung der Holzkirchen für den Norden darauf, dass durch sie
an die alten, überlieferten Baugewohnheiten angeknüpft wurde und so die Volkskunst, welche seither der Hausvater
3) „Kemenate“ (caminata) hiessen ursprünglich die mit einer Feuerstätte (caminus) versehenen Räume. Dann wurden aber aucli die herr-
schaftlichen Wohn- und Schlafgemächer so genannt. — Später wurden diese Räume, welche auch Gaden (gadum, gadam) hiessen, durcli Oefen
(Phiesel) geheizt. Phieselgaden ist ein heizbares Gemach; dasselbe bedeutet das Wort „Dornitz“. Die Ditmarscher Bauern unterschieden neben
ihrer „Diele“ zwei heizbare Kemenaten, von denen sie die eine „Pesel“, „Pisel“ d. h. Phieselgaden, die andre „Dönske“, „Dornsche“ (slaw.
drwonice) nannten.
2) Nach Schwarz (Jensen p. 1090) ging die Kirche von Alt-Gottorp c. 1G30 ein. Vgl. Sach, Gesch. d. Stadt Schleswig S. 7G.
8) Chronisten des 16. und 17. Jahrhunderts berichten, Knud der Grosse habe die Tuffsteine aus England bezogen. Allein die Be-
schaffenheit dieses Steins weist mit aller Bestimmtheit auf die Rheinlande. Von dort wurden sie über Dorstat ins Land gebracht; vgl. Sach,
Gesch. d. St. Schlesw., S. 41. Zum Ganzen vgl. Kornerup, Materialet i de Aeldste Danske Kircker (Aarböger for Nordisk Oldkyndighed og
Historie 1870, 8. 139 ff.)
4) Nach Sach a. a. O. S. 41 wurde die letzte hölzerne Kirche des Landes erst vor kaum 100 Jahren abgebrochen.
5) Vgl. Adler a. a. 0, S. 182; H. Otte, Handbuch, Bd. I, S. 32 ff. Ueber Holzkirchen vgl. ferner Lehfeldt, Die Holzbaukunst
(Berlin 1880); Vio11et -1e-Duc, Dictionaire raisonné de l’architecture, Bd. II, S. 212 ff.
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