Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
Søgning i bogen
Den bedste måde at søge i bogen er ved at downloade PDF'en og søge i den.
Derved får du fremhævet ordene visuelt direkte på billedet af siden.
Digitaliseret bog
Bogens tekst er maskinlæst, så der kan være en del fejl og mangler.
sandten 1). Infolge dessen begegnen uns in früher Zeit schon bei einzelnen Schlossbauten der deutschen Renaissance
Anklänge an fremdländische Bauweisen. Besonders der glänzende Hof Franz’ I. von Frankreich (1515 1547)
übte bis zur Mitte des 16. Jalirhunderts in Norddeutschland einen nicht zu unterschätzenden Einfluss, wie unter
anderem das Schloss zu Güstrow beweist, bei dem auch die Grundrissbildung auf Frankreich hindeutet“). Als
dann die Kunst später auch bei uns „hoffähig“ wurde, galt sie doch in der allgemeinen Schätzung der Zeitgenossen
immer nocli als eine Art von Handwerk. Vielen erschien es unverständlich, wenn nicht sogar verächtlich, wenn
Sprossen alter Geschlechter sich ihr widmeten. So wurde der in brandenburgischen Diensten von 1578 ab besonders
bei Festungsbauten thätige italienische Graf Rochus zu Lynar von dem Landesadel wegen seiner Beschäftigung
angegriffen und vertheidigte sich diesem Vorurtheile gegenüber gewiss nicht mit besonderem Erfolge, als ei dar-
auf hinwies, dass „solche Gabe und Kunst so seltsam, in Krieg und Frieden hoch nöthig und für die Kitter so
ehrenvoll sei, dass in Italien nicht nur Adlige, sondern auch die vornehmsten Fürsten und Herren sie ausübten .
Zu Gottorp bekleideten sogar noch im 17. und 18. Jahrhunderte, als die Oberleitung sonst schon lange in die
Hände von Architekten gelegt war, ehemalige Kammerdiener den Posten eines Bauinspektors.
Dass man in Norddeutschland nicht selten für die Leitung grösserer Bauwerke keine höhere Bildung voraus-
setzte und verlangte, war übrigens oft mehr in zufälligen und localen Verhältnissen begründet; vielfach aber gab
dieser Umstand den in jener Zeit entstandenen Bauten ihr naiv-individuelles, patriarchalisches Gepräge. In ganz
anderer Weise wurden z. B. in Frankreich die künstlerischen Kräfte herangebildet. Vom königlichen Hofe und
der Pariser Akademie, welche beide im Mittelpunkte der Baubewegung des Landes standen, ging ein ganz
bestimmter Einfluss aus, der so klar hervortrat, dass man bekanntlich die Stufen der Kunstentwickelung nach
der Regierungszeit der französischen Könige abgrenzt. Aehnlich verhielt es sich bei den Akademien Italiens.
In Deutschland dagegen herrschte Decentralisation. Es gab eben hier keine Akademien und Mittelpunkte
der Kunst, welche in energischer und bestimmter Weise auf den richtigen Weg führen und die ganze Ent-
wickelung beherrschen und fördern konnten. Eine Folge dieser Verhältnisse ist es mit, dass die nordische
Frührenaissance, wie schon oben erwähnt wurde, weniger die höhere und schwierigere Aufgabe der Raum-
gliederung und Construction ergriff, sondern sich, wie es auch später nocli geschah, mit Vorliebe der leichteren
und melir anmuthigen als grossartigen Ausschmückung besonders der Façaden zuwandte. Abei dieser Umstand
hatte noch eine andere Folge. Indem die Kunstentwickelung nach den verschiedenen Landschaften aus-
einander ging, so dass in vielen Theilen Deutschlands ein eigner Provincialstil entstand, und auch an den
Höfen, von denen keiner tonangebend wurde, ganz verschiedenartige Werke hervorbrachte 3), war sie der Gefahr,
welche in der Renaissance mit ihrem nivellirenden, die nationalen Unterschiede ausgleichenden Grundwesen
ohnehin lag, besonders ausgesetzt. Sie war fremdländischen Einflüssen im hohen Grade zugänglich, und bald
trat besonders in Schleswig-Holstein und den benachbarten Ländern, wo abgesehen von den reichen Hansa-
städten fast die ganze Bauthätigkeit von den Fürsten und Grossen ausging, in den verschiedenen Werken der
nordischen Hochrenaissance holländischer, italienischer und französischer Charakter mit dem deutschen Wesen in
einen vielfach siegreichen Kampf. Im Gegensatze hierzu zeigt uns besonders der alte, mächtige Vorort der Hansa,
die Stadt Lübeck, die Kunst eines bürgerlichen Gemeinwesens. Hier fanden entsprechend dem conservativen Sinne
des Bürgerthums die überlieferten alten Formen noch lange Zeit Verwendung, während die infolge ihres Bildungs-
ganges geistig mehr angeregten Fürsten jener Zeit mit grosser Frische und lebhaftem Interesse nach dem Neuen
griffen. Da es, wie oben bemerkt, im Lande noch keine akademisch gebildeten oder gelehrten Architekten gab, so
gingen sie mit ihren reichen Mitteln in der Regel auf die Quelle der neuen Kunstrichtung selbst zurück und
beriefen sich Künstler aus Italien. Die Prunksucht jener Zeit stellte den Architekten grossartige Aufgaben,
deren Lösungen noch heute mit zu den lehrreichsten und schönsten Erzeugnissen der Baukunst gehören. So
entstand auch unter den baulustigen und lebensfrohen Gottorper Fürsten eine Reihe von Schlössern zu Tondern,
Segeberg, Flensburg, Husum und Tönning4). An Gottorp selbst wurden mannigfache Neubauten vorgenommen.
Aber auch sonst finden wir überall im Norden bis zu den fernsten Ostseeländern fremdländische Künstler bei
Schlossbauten sowie bei Errichtung von Kauf- und Fruchthallen, Rath- und Gildehäusern u. dgl. beschäftigt,
und heute noch erkennt man ihren Geist in der Harmonie, Eurythmie und Symmetrie der von ihnen geschaffenen
Werke. So waren auch in Mecklenburg an den Schlossbauten zu Wismar (1553) und Güstrow Italiener thätig,
1) So überliess Herzog Ulrich von Mecklenburg im Jahre 1590 seinen Baumeister Philipp Brandin, der ursprünglich Bildhauer war, dem
Könige Christian IV. zur Ausführung eines Baues zu Nyköping.
2) Noch grösser wurde die Abhängigkeit von Frankreich seit dem dreissigjährigen Kriege, nach welchem sich Deutschland nicht nur in
der Mode, sondern auch in der Literatur, Kunst und Architektur von diesem Lande beherrschen liess.
3) Ein ganz eigenartiges Gepräge verleihen z. B. den mecklenburgischen Bauten die zierlich ausgeführten, zum Schmuck der Façaden
verwendeten Terrakotten.
4) Leider sind die Schlösser zu Segeberg, Tondern, Flensburg, sowie der schöne Schlossbau zu Tönning spurlos verschwunden.
29