Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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thätig war1), wird die deutsche Renaissance vom holländischen Barock nur zurückgedrängt, ohne ganz zu ver-
schwinden. Vor allem aber war es das Baumaterial, das in den deutschen Ländern Hollands Einfluss begünstigte.
Die Renaissance verwendete besonders den Haustein und nahm in Folge dessen anfangs auf den in unserem Lande
heimischen Backstein wenig oder gar keine Rücksicht. In den Lehrbüchern wurden von den Malern und Zeichnern
der Backstein als Baumaterial ganz unberücksichtigt gelassen; sie hinderte nichts, für ihre Entwürfe das beste
Material vorauszusetzen. So gelangte man bei dem Versuch, die Renaissance in die Sprache des Backsteinbaues
zu übersetzen, zu dem Verputzungssystem, bis man dann, mehr der holländischen Weise folgend, auch in Schles-
wig-Holstein dem Backstein sein Recht wieder einräumte und ihn als Füllmaterial unverputzt zur Anwendung
brachte. Audi sonst ergaben sich in Folge der Anforderungen des zur Verfügung stehenden Materials mannig-
fache Berührungspunkte. So wurden bei den Schlossbauten Adolfs, ähnlich wie in Holland, zu den Portalen,
Fenstereinfassungen und Gesimsen Sand- resp. Gipsstein, zu den Giebeln und Thürmchen oft sogar Holz, zu
dem Sockel und meist auch zu den Fundamenten Granitfindlinge, zu dem aufgehenden Mauerwerk aber Backsteine
verwendet. Je nach den verschiedenen Zeiten wurde aus verscliiedenen Theilen Deutschlands und des Auslandes,
aus Gothland, von der Weser und selbst aus Sachsen Sandstein herbeigeschafft, besonders gern aus Pirna 2), woher
auch sogar Holz auf der Elbe bezogen wurde, wie 1560 für das Schloss zu Schwerin. In ähnlicher Weise kam
iu Holland für alle constructiven Theile Haustein zur Verwendung, nur dass hier die Giebel manchmal auch ganz aus
diesem Material hergestellt waren1). So erscheint der grosse Einfluss Hollands ganz natürlich. Lach den Abbildungen
im Danske Vitruv tragen die von Adolf und seinen Nachfolgern erbauten Schlösser vielfach dasselbe Gepräge
holländischer Architektur, wie auch die Börse, das Rosenberger Schloss zu Kopenhagen und das Lustschloss
Friedrichsburg in der Nähe dieser Stadt, ferner wie das königliche Schloss zu Stockholm, einige Bauten
Danzigs u. a. m. So trocken und ernsthaft dieser Stil auch vielfach auftrat, so wirkte er doch aucli andererseits
oft durch die verschiedene Färbung des verwendeten Materials, besonders wenn der Ziegelstein niclit verputzt
wurde, malerisch, und diese Wirkung verstand man durch die Art der Decoration an Fensterbekrönungen, Por-
talen u. a. noch zu erhöhen. Dieser letztere Umstand hat dann da, wo der italienischen und holländischen
Weise der Weg geebnet war, nicht selten sogar beide zusammengeführt, so dass sich Palladianismus und nieder-
ländisches Barock in manchen nordischen Bauten mischten.
Gottorp trägt nur an Einzelheiten die Spuren einer solchen Verbindung. Docli ist sie in Norddeutschland
und auch sonst zu grosser Bedeutung gelangt. Die italienische Renaissance wurde bekanntlich durch ihren Voll-
ender Michelangelo zugleich dem Barock entgegengeführt. Das „geniale Ungestüm“ Michelangelo’s drängte auf
Verstärkung der Form, auf entschiedenen, plastischen Ausdruck, und darin lag für seine Nachfolger ein Hinweis,
auf das Malerische den Hauptnachdruck zu legen1). Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sein Ein-
fluss und der seines Schülers Palladio, welcher in seinen Werken durch wirkungsvolle Hauptformen und Combinationen
hervortritt und mehr auf das Grottesk - Malerische ausgeht, besonders massgebend. Die hieraus sich vielfach er-
gebende Annäherung beider Stilarten wurde noch dadurch erleichtert, dass um die Wende des 17. Jahrhunderts,
also zur Zeit, als in Italien die Blüthe der Renaissance schon vorüber war, die Vertrautheit mit den antiken
Baustilen durch die Werke des Giacomo Barozzi, genannt Vignola (seine Schrift über die funf Säulenordnungen
galt lauge Zeit als Kanon für die Architektur), des Serlio und Palladio (quattro libri dell’ architettura), nicht
minder aber auch durch Studienreisen nordischer Architekten zunahin und mit der gründlicheren Kenntniss und
dem innigeren Verständniss der italienischen Bauweise auch eine gegenseitige Durchdringung holländischer und
italienischer Motive möglich wurde. Indem durch das italienische Barock die Strenge der antiken Formen ge-
mildert wurde, nahm auch damit ihre Fähigkeit, fremde Elemente aufzunehmen, zu, und in der Folge dieser
Entwickelung geschah es, dass der „malerische Effect mehr und mehr die Losung wurde, constructive Gliederung
in den Hintergrund trat“. Die Künstler dieser Periode verwandten von älteren Kunstwerken, was ihnen zusagte,
ohne sich um chronologische Daten zu kümmern; sie waren eben Eklektiker und assimilirten sich, was ihrem
Geschmacke entsprach. In den Auswüchsen dieses Stiles zu der Zeit des beginnenden 18. Jahrhunderts sehen
1) Vredeman de Vries schmückte hier die Rathsstube mit allegorischen Gemälden. Er war einer der ersten, welcher die Architectur-
malerei nach dem damaligen Stande des Studiums der Perspective vortrefflich ausühte und als selbständigen Zweig der Kunst zur Geltung brachte.
2) August von Sachsen machte Heinrich v. Rantzau eine bei Hans Irmisch 1564 (Hauptstaatsarchiv zu Dresden) bestellte, durch drei
Stockwerke gehende Wendeltreppe aus Pirnaischem Sandstein zum Geschenke. Ob aber die stilistische Ausstattung und Profilirung dieser Treppe
mit dem Charakter der übrigen Bautheile harmonirte, darauf scheint weniger Gewicht gelegt worden zu sein. Vielleicht sollte dieser Bautheil
eben als Kunstwerk für sich gelten. — Der Sandstein hat sich leider in Schleswig- Holstein schlecht gehalten. Von den prächtigen Schloss-
bauten H.’s v. Rantzau ist so viel wie nichts auf uns gekommen.
3) Auch feineres Steinmaterial kam damals in das Land. Heinrich v. Rantzau bekam sogar vom Grossherzoge von Toscana Marmor für
allerlei Kunstwerke und zum Schmucke seines Hauses. Vgl. Waitz, Schleswig-Holsteins Geschichte II, 409.
4) Das römische Barock tritt besonders in der kirchlichen Baukunst auf. Für den Norden Deutschlands ist die Kirche zu Bückeburg (1613)
ein gutes Beispiel. Im Ganzen war der Kirchenbau im Süden Deutschlands bedeutender. Im Norden zeichnen sich dagegen die Schlosskapellen
aus, bei deren innerer Ausstattung ein Anlehnen der Kleinkünste an die Meisterwerke der höheren Kunst nicht zu verkennen ist.
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