Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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Südseite (s. Tafel II 1.) in Verbindung mit dem eigentlichen Festungswall errichtet. Im folgenden Jahre wurde dann
die nicht durch eine Bastion geschützte Nordwestecke, wie schon oben erwähnt, mit einem heute noch bestehenden
starken Rundthurme versehen, der den Namen Schlachterthurm wohl aus dem Grunde führte, weil er als Schlacht-
haus diente, worauf auch die nocli theilweise vorhandenen grossen eisernen Ringe im Kellergewölbe und die Nähe
der Küchenräume zu deuten scheinen 1). Die ganze Anlage hatte, wie aus den Plänen auf Tafel Ilr. und IV r. ersichtlich
ist, fast die Gestalt eines regelmässigen Vierecks, bei dem die Ecken durch Bastionen markirt wurden, welche den
starken, an der Basis mit Quadersteinen bekleideten Wällen etwas vorgeschoben waren. Die Kosten sämmtlicher
Bauten des Herzogs Adolf auf Gottorp beliefen sich auf 1- 1Millionen Reichsthaler, zu denen das Schleswiger
Domkapitel mit je 4 Thalern vom Pfluge beisteuern musste 2).
Ueber die damalige innere Einrichtung des Schlosses lässt sich nicht viel berichten. Wir müssen jedoch
annehmen, dass dieselbe prächtig gewesen sei und dass bei ihrer Herstellung alle Kleinkünste in Wettstreit traten 3).
Dabei mag manche alte, gothische Gewohnheit beibehalten worden sein, wie wir dies bei der äusseren
Architectur schon gesehen haben. Besonders erhielten sich damals noch die mittelalterlichen, getäfelten Balken-
decken, und erst später wurde nach dem Vorgange Italiens auch im Norden die Deckenausschmückung den
Malern und Stuccateuren überlassen. Vor allem aber fehlten jener Zeit noch Corridore und sogen. Degagements.
In der französischen Grundrissbildung tritt diese Verkehrserleichterung zuerst auf (Hôtel Pisani 1603); aber noch
bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts geht, wie in den meisten älteren Schlössern, so auch zu Gottorp die Ver-
bindung rücksichtslos durch sämmtliche Zimmer4), wie wir dies auch beim Studium der Grundrisse des Nord-
und Westflügels auf Tafel VI und VII erkennen. Auch ein grosser Theil alter Mobilien war noch in Gottorp
vorhanden, die von der Renaissance wenig berührt sein mochten; so ist überliefert, dass bei der Theilung im
Jahre 1544 der König seinen Brüdern allen Hausrath überlassen hat5). Jedenfalls aber huldigte der kunst-
und prachtliebende Adolf bei Neuanschaffungen der immer entschiedener auftretenden Wandelung auf dem Gebiete
der Kleinkünste, welche bis zum dreissigjährigen Kriege zur höchsten Blüthe gediehen und auch nach
demselben im Norden sich verhältnissmässig lange auf hoher Stufe erhielten. Gottorp und daneben u. a. auch
die Schlösser Heinrich’s v. Rantzau waren für Schleswig - Holstein der Mittelpunkt dieser Bewegung. Von be-
sonderem Verdienste für unsere Lande ist der von Heinricli v. Rantzau in seiner bereits mehrfach erwähnten
Beschreibung der cimbrischen Halbinsel hochgerühmte Maler, Schnitzer und Stecher Melchior Lork aus Flens-
burg6). Er ist der erste Schleswig- Holsteiner, von dem wir erfahren, dass er nicht bloss aus Lehrbüchern
und Schilderungen sich die Kenntniss der neuen Formen erwarb, sondern auf weiten Reisen durch die
Niederlande, Frankreich, Italien, Griechenland und die Türkei eigene Anschauung gewann. Die von ihm
gesammelten Skizzen, Stiche, Lehrbücher sowie seine eigenen Schöpfungen sind daher von unverkennbarem
Einfluss auf die heimische Kunst gewesen, wie wir dies auch bei den Intarsien und Schnitzarbeiten der
fürstlichen Loge zu Gottorp annehmen müssen, an welchen ein Flensburger Schnitzer bei den Hauptarbeiten
mitwirkte. Zu welcher Blüthe schon unter der Regierung Adolfs die Holzschnitzkunst der Renaissance gelangte,
sehen wir auch bei dem „bunten Pesel“ 7) des Markus Swyn8) im Dorfe Lehe bei Lunden in Norderdithmarschen.
Es war dies die wirklich mit vornehmer Pracht ausgestattete Prunkstube des Hauses, welche heute noch als
hohes Kunstwerk bewundert wird. Der ringsum vollständig getäfelte, oben mit einer eichenen Kassettendecke
versehene Raum bildet mit den zwei ausserordentlich grossen, eingebauten Bettstellen, welche durch die unüber-
treffliche Feinheit der Schnitzereien als die Krone der ganzen Ausstattung gelten, den beiden Schränken, von
welchen der grössere fast gleiche Vortrefflichkeit der Arbeit zeigt, aber in seiner übertriebenen Pracht unter der
Häufung der Motive leidet, einer sehr fein geschnitzten Thüre und dem Kamine ein überaus schönes, harmonisches
Ganzes. In den Details an Schränken und Betten ist das bei der Schilderung der äusseren Architectur charakte-
risirte Ornament der damaligen Renaissance, architectonische Gliederung wie Cartouche, in stilvoller und edler
Weise zur Einrahmung von Reliefs mit reichem figürlichen Schmucke angewendet. Das Ornament bewegt sich fast
^ Früher hielt man diesen Raum der dort befestigten eisernen Ringe wegen für eine ehemalige Folterkammer. Aber der durch U. Petersen
in seinen Aufzeichnungen überlieferte Name „Schlachterthurm“ führte zur richtigen Deutung.
2) Vgl. Lorenzen a. a. 0. S. 52. — Die letzte Bastion, welche in sumpfigem Terrain errichtet werden musste, fügten erst seine
Nachfolger hinzu.
3) Bei der Ausstattung der Schlösser macht sich nun überhaupt ein Zug nach grösserer Behaglichkeit und Bequemlichkeit des Wohnens geltend.
4) Vgl. Johann Daniel Major, Reisen in den nordischen Reichen (1693).
5) Vgl. oben S. 26, A. 3. Von diesen Gegenständen mag bei dem S. 30 erwähnten Brande Manches zu Grunde gegangen sein.
6) Vgl. S. 24.
7) Das im Jahre 1884 durch Brand stark beschädigte Zimmer wurde 1885 ira Auftrage des Landes wieder von Heinrich Sauerraann in
Flensburg restaurirt und in dem Anbau des Museums dithraarsischer Alterthümer zu Meldorf aufgestellt. Vgl. F. Posselt, Die Restauration
des „bunten Pesels“ (Kieler Zeitung 1885 Nr. 10 979). Zum Ganzen vgl. R. Haupt, Bau- und Kunstdenkm. v. Schl.-H. S. 139 ff.
8) M. Swyn (f 1585), aus einem der ersten Geschlechter des Landes, war als die Freiheit unterging (1559), Achtundvierziger und später
Landvogt im nördlichen Dithmarschen.
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