Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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nachlässigen Charakter der holländischen Weise an sich; doch verdienen die Bauten Friedrich’s des Grossen
trotz aller Gegenrede der Kunstkritik volle Beachtung.
Auf ein solides Fundament, von dem aus eine Reorganisation der gesammten Kunst stattfand, wurde die
mit dem Zopfe beginnende Entwickelung erst durch das tiefere Eindringen und richtigere Verständniss der Kunst-
schöpfungen des klassischen Alterthums geführt. Hauptsächlich die Rückkehr zu den griechischen Vorbildern er-
öffnete neue Bahnen1). In Frankreich übte vornehmlich der berühmte Maler David, der Stifter der klassischen
französischen Schule, grossen Einfluss. In Deutschland lenkten besonders die gelehrten Studien Lessing’s und
in noch höherem Grade die Schriften Winckelmann’s die Künstler auf die herrlichen Werke der klassischen
Völker als die schönsten Vorbilder hin. Dieser begeisterte Kenner des Alterthums war der berufenste Führer
unserer Nation „durch die versunkene Welt voll Herrlichkeit“, welche die griechische Kunst wiederum offenbarte.
Im Gefolge dieses feinsinnigen Forschers wirkte der Maler Raphael Mengs (1728—1770), und etwas später
ragte der Schleswig-Holsteiner Asmus Carstens hervor (1754—1798) und verflocht durch sein bahnbrechendes
Auftreten auch seine Heimath auf das innigste mit dem Kunstleben des ganzen deutschen Volkes. Er erfasste
mit tiefem Verständnisse die antike Kunst und rief in vielen Zeichnungen mythologischen Inhalts, in denen
eine eigenartig ernste Auffassung waltete, das Interesse an dem klassischen Alterthum wach. Ein allgemeiner
Zug, der überall den Kunstsinn auf die alten Vorbilder zurücklenkte, ging durch die europäischen Länder, nirgends
aber in so engem Anschluss an die literarische Bewegung wie in Deutschland — wir rechnen Lessing ebenso
zu den Bahnbrechern der neuen Kunstauffassung wie Carstens —, und diesem Umstand mag es zuzuschreiben
sein, dass die deutsche Kunst einen solchen Gedankenreichthum entwickelt hat. Im Anfang dieser Entwickelung
freilich war besonders in der Architektur, die den anderen Künsten voranschritt, eine langandauernde Krisis zu
bestehen, bis man sich zu wahrhaften Kunstschöpfungen hindurchrang.
Der antikisirende Stil, welcher sich unter dem Einflusse der französischen Revolution entwickelte, erschien
mit seinen steifen Formen mehr als eine Karrikatur — zu Gottorp war er nur in wenigen, jetzt längst ver-
schwundenen Möbeln vertreten — und das Empire zeigte eine jede Bewegung der Phantasie streng ablehnende
Nüchternheit. Es bricht die Zeit an, die mit schonungslosem Eifer in Schlössern und Kirchen den Tüncherquast
walten lässt und den Schmuck, mit dem frühere Jahrhunderte die Façaden und Decken in mannigfacli wechselnder
Weise überzogen hatten, fortschafft oder mit weisser Farbe überdeckt.
Das letzte Stadium in diesem Missverständniss des Alterthums bezeichnet der sogen. Kasernenstil (1815—1845),
in dem Eleganz und Comfort gänzlich verschwand, nur dem praktischen Bedürfnisse Rechnung getragen wurde
und so eine fast vollständige Negation der Kunst vorwaltete. Erst in den vierziger Jahren lenkte endlich die Ent-
wickelung vornehmlich durch Schinkel in eine freiere Auffassung ein 2), die nach mannigfacher Modulation und
Anpassung an die nordischen klimatischen und sonstigen Verhältnisse noch die heutige ist.
Wiederum ein Schleswig-Holsteiner, Semper, ist es, der in das Kunstleben der Nation entscheidend eingriff,
indem er das durch Schinkels hellenische Bauweise neu belebte Vermächtniss des Alterthums auf das für den
Norden verwendbare Maass zurückführte und zugleich auch in universellem Geiste die Motive der modernen Kunst-
epochen der Architektur des Tages dienstbar machte.
Unser Klima eignet sicli nun einmal nicht für griechische Säulenhallen, und unsere Zeit stellte der Architektur
Aufgaben, die nicht durch griechische Construktionsweise zu lösen waren. Auch die modernen Baumaterialien,
Cement, Gips, Zinkblech u. s. w., erwiesen sich zu spröde, um sich in die antike Bauweise zu fügen. Semper’s
Verdienst bleibt es, dass er auf den Zusammenhang zwischen Zweck und Erscheinung in seinen Werken den
Nachdruck legte. Nicht etwa eine vorgeblendete griechische Façadenbildung sollte die praktische Bedeutung eines
Bauwerkes verdunkeln; seine Bestimmung sollte vielmehr augenscheinlich und klar erkennbar sein, und wie im
Einzelnen, so sollte auch im Ganzen Gesetzmässigkeit und Harmonie herrschen. Entsprechend diesem Grundsatze
drang er auf das vielfach verloren gegangene Verständniss der architektonischen Formen.
Neben der an die antike Kunst sich anlehnenden Richtung entstand seit den Befreiungskriegen die romantische
Schule, deren Anhänger theils aus begeistertem Patriotismus, theils im Namen des Christenthums Rückkehr zu
den Formen des Mittelalters verlangten. Diese Romantiker hatten wenigstens den Erfolg, dass auf ihre Anregung
hin in Deutschland und anderwärts die herrlichen Bauten des Mittelalters, wie der Kölner Dom, sonstige Kirchen,
Burgen und Schlösser ausgebaut oder wiederhergestellt wurden, und dass man in das ganze Wesen der mittel-
alterlichen Bauweise tiefer einzudringen sachte. Die erstarrten, keiner grossen Weiterentwickelung fähigen Formen
der Gothik wussten sie freilich nicht zu beleben. Sie waren eben ein Ausdrucksmittel für das künstlerische Fühlen
und Schaffen längstvergangener Zeiten und bilden so eine Formensprache, deren wir uns im Allgemeinen
i) Von grossem Einfluss war das epochemachende Werk von Stuart und Revett, Antiquities of Athens cet. (London 1762—1816).
2) Vgl. hierzu: Förster, Geschichte der d. Kunst; Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte; Lübke, Grundriss d. Kunstgeschichte.
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