Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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steigt lang hingestreckt, auf hohem, geböschtem Kellergeschoss in drei Stockwerken und einem Mezzanin auf,
wirkungsvoll durch zwei Endflügel und einen Mittelthurm gegliedert, der noch durch das herzogliche Wappen
mit Palmenzweig und kriegerischen Emblemen über dem Mittelfenster der ersten Etage sowie durch das Portal
ausgezeichnet ist. Zwei toskanische Säulen aus feinkörnigem Sandstein schliessen das Thor ein; auf diesen
ruht ein Architrav, über dem sich noch ein triglyphengeschmückter Fries zeigt, welcher als Schmuck ein
F IV zwischen Kriegstrophäen aufweist. Das abschliessende Gesimse trägt eine kräftige Balustrade. Ueber
der Uhr an der zweiten Etage des Thurmes kündet die in Schmiedeisen angebrachte Jahreszahl 1703 die Ent-
stehungszeit dieses Schlosstheiles an. Das mit Kupfer gedeckte, geschweifte Bohlendach ist durch ein Glocken-
thürmchen mit Wetterfahne und Krone geschmückt. Zwei Dachreiter, die auf den abgewalmten Ost- und
Westenden des Daches nach der im Staatsarchiv zu Schleswig befindlichen Skizze1) von dem Architekten,
— der übrigens in einer Bemerkung auf derselben seinen Unmuth darüber ausspricht, dass man „sein Werk
immer will schlechter machen lassen“ —, geplant worden sind, blieben in der Ausführung fort. Die ganze
Façade macht mit ihrer langhinlaufenden Flucht von Fensterbögen und Gesimsen trotz aller Einfachheit doch
einen mächtigen, grossartigen Eindruck. Freilich das uns an der deutschen Renaissance so anziehende male-
rische Element hat hier auf Kosten der streng regelmässigen Anforderungen der italienischen Renaissance, die
auch die schlichten Fenstereinrahmungen der Frührenaissance zurückwies, wie wir sie an der Ost-, Nord-
und Westfaçade finden werden, Einbusse erlitten. Im Gegensatz zu der Südfaçade weisen diese drei Seiten jene
enge Beziehung der deutschen Renaissance zur Gothik auf, die für die erstere charakteristisch ist. Diese Er-
scheinung in so verhältnissmässig später Zeit erklärt sich aus dem langsamen Vordringen der neuen Bauformen
nach dem Norden, der hierin, wie ich schon im historischen Theile hervorgehoben habe, fast um ein halbes Jahr-
hundert hinter den Italien so viel näher gelegenen Landschaften Süd- und Mitteldeutschlands zurückbleibt. Wir
sehen diese Theile mit einem Minimum von Kunstformen ausgestattet. Die rechtwinkeligen Fenstereinrahmungen
zeigen einfache Profile einer frühen Renaissance, und nur selten fanden Pilaster in den drei Ordnungen2) nach
den Regeln der Theoretiker Anwendung3). Dazu kommt, dass ein grauer Putz jetzt die Wände bekleidet und
so nicht nur bauanalytische Untersuchungen über Backsteingrösse, Brand, Verband und Mörtelmischung u. s. w.
unmöglich macht, sondern auch das verschiedenartige Material —, vielleicht auch glasirte Friese und Formsteine,
wie sie bei gleichzeitigen mecklenburgischen Schlossbauten vorkommen —, auf das wegen der Mannigfaltigkeit seiner
Wirkung grosses Gewicht gelegt wurde, verschwinden lässt. Wir würden mit Ausnahme der Westfront, die mit
ihren kurzen, gedrungenen Streben und dem sie an der Nordecke flankirenden Thurme einen trotzigen, kriegerischen
Eindruck macht, an diesen Seiten des Schlosses ohne besonderen Antheil vorübergehen, wenn nicht in Folge der
Abwechslung in den wenigen Details und der Anordnung besonders der Giebelausbildungen im Gegensatz zu der
strengen Symmetrie der Südfront hier die der deutschen Renaissance eigenthümliche Eurythmie anklänge und
so aucli zugleich der oft naive Sinn unserer Vorfahren hervorträte. An der Ostfront überzeugt uns ein noch theil-
weise erhaltener Renaissancegiebel, sowie ein Erker von neuem von der Wichtigkeit solcher Glieder für die
Wirkung der Façade (s. Taf. XI).
Ein Wappen, ehemals über dem Hauptportal an dieser Seite befindlich, ist jetzt an dem nördlichen Ende ein-
gemauert, wo sicli früher eine kleine Wendeltreppe befunden haben soll. Es ist aus Stein gemeisselt und mit dem
englischen Hosenbandorden1) geschmückt. Ein grauer Oelfarbenanstrich überdeckt das anscheinend früher polychrom
gehaltene Wappen. Von Interesse an dieser Seite ist auch der alte, einfacli gehaltene Granitsockel, der hier noch
in einer Höhe von 0,50 m sichtbar geblieben, während er auf den übrigen Seiten im Lauf der Zeit durch Erd-
aufschüttungen verdeckt worden ist. Die Nordfaçade ist höchst einfach und nur durch sieben kleine Dachgiebel,
die ohne Rücksicht auf die Axenstellung der Fenster über die ganze Seite vertheilt sind, in der oben von uns
geschilderten Weise charakterisirt. Von dem im Danske Vitruv wiedergegebenen Volutenschmuck weisen diese
Giebel wenig mehr auf; bei dem Mangel an geeignetem Sternmaterial wurden nämlich einige Theile in geschnitztem
Holzwerk ausgeführt, das in gewissen Zeiten nicht selten den Sandstein ersetzen musste. Auch die schon erwähnte,
noch erhaltene Balustrade über dem Hauptportale der Südfront ist von Holz 5). Besonderes Interesse erregt auch
>) Diese Skizze wurde nach 1864 nebst einer älteren Farbenskizze zu einem fürstlichen Lustbau von Kopenhagen zurückgeliefert. Dieser
letztere Entwurf ist wie der erstere ohne Bezeichnung und Unterschrift und scheint auch auf Gottorp keine Beziehung zu haben. Die Voluteu-
giebel und die eigenthümliche Perspective des Bildes, sowie das verwendete Papier deuten auf das Ende des 17. Jahrhunderts.
2) Die Anweisungen Alberti’s und anderer Theoretikcr'wurden ebenfalls im Norden beachtet.
3) Nur sehr wenig hiervon ist zudem bis auf uns gelangt.
4) Vgl. S. 34. Auch sonst sind Ordensdecorationen in Verbindung mit, Wappen auf mittelalterlichen Denkmälern in unserem Lande nicht
selten. Die früher einfachen Wappen werden gegen Ende des Mittelalters immer zusammengesetzter und reicher und sind oft, wie hier zu Gottorp,
aus vielen Feldern zusamraengestellt und mit mehreren Helmen geschmückt. Von vielen Wappen können die Farben nicht immer angegeben werden,
wie auch manche anderen Distinktionen der modernen Heraldik für mittelalterliche Wappen keine Anwendung finden.
5) Dass in gleicher Weise einst Holzstatuen die Garten- und Parkanlagen schmückten, ist schon S. 55 erwähnt.
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