Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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der an der Nordwestecke des Schlosses befindliche, bereits erwähnte starke Rundthurm mit seinen jetzt vermauerten,
einst verschiedenartig geformten Schiessscharten. Der obere Theil dieses in vier Geschossen und meist mit kuppel-
artigen Wölbungen versehenen Baues wurde bereits in früherer Zeit abgetragen; bei der zu Anfang unseres Jahr-
hunderts vorgenommenen Restauration des unteren Theiles wurde auch die hier befindliche alte Sockelbildung
aussen beseitigt. Im historischen Abschnitte ist schon erwähnt, dass dieser Westflügel die ältesten Theile des Schlosses
enthält *); davon überzeugen uns auch die hier besonders zahlreichen Streben, welche früher zur Verstärkung der
Widerlager der einst im Innern befindlichen, jetzt theilweise weggebrochenen Zimmergewölbe dienten, sowie der
über diesen befindliche, jetzt verputzte Spitzbogenfries, der das ältere Mauerwerk theilweise nach oben hin ab-
schliesst, während über ihm die Arbeit späterer Zeiten beginnt. Einige Reste von Kragsteinen oder Steinkonsolen
lassen uns ebenfalls hier ehemalige Erkeranlagen vermuthen. Dem Ganzen ist das Gepräge des Alters aufgedrückt.
Brand und Kriegsnoth, sowie spätere Vernachlässigung haben hier ihre Spuren zurückgelassen; die mannigfachsten
kleinen Um- und Anbauten aber tragen jetzt gerade nicht zur künstlerischen Befriedigung bei.
Nachdem wir auf unserer Wanderung um das Schloss zu dem in der Südfront befindlichen Hauptportal
zurückgekehrt sind, betreten wir das Vestibül, um durch dasselbe in den Schlosshof zu gelangen. Die alte Regel
der Architekten, das Urtheil des Besuchers, welcher ein Haus oder Schloss betritt, sei es durch die Traulichkeit
oder Grossartigkeit und Pracht des ersten Eindrucks gefangen zu nehmen, ist auch hier einst beobachtet worden.
Uns empfängt ein nach italienischem Muster in breiten, geraden Läufen zu beiden Seiten angelegtes, durch seine
Grösse imponirendes Treppenhaus. Wenn auch nur noch wenige Reste der alten Ausstattung, und auch diese nur
in mangelhaftem Zustand, erhalten sind, so vermögen wir doch Alles im Geiste zu reconstruiren und somit noch
etwas von der vornehmen Ruhe und der glanzliebenden Selbstgewissheit des alten Geschlechtes zu empfinden. In
vergoldeter Stuckeinrahmung gewahren wir auf dem Plafond der ersten Etage — zwar schon stark beschädigt —
eine mit Helm und Speer bewaffnete Frauengestalt, welche sich auf einen mit der herzoglichen Krone und
einem HF geschmückten, von Genien umgebenen Schild stützt. Auf dem Deckengemälde der zweiten Etage sehen
wir eine aus den Wolken schwebende weibliche Figur gleichfalls inmitten von Genien, die ein flatterndes Band mit
der Devise „Constantia et Labore“ halten. Dieselbe trägt einen mit dem polychrom gegebenen herzoglichen
Wappen gezierten Schild. Sonst erinnert nichts mehr an die frühere reiche Ausstattung; die prächtigen Geländer
aus Schmiedeisen und die gedrehten, in Gold und Farben strahlenden Holzstäbe sowie die ganzen Treppenläufe
sind längst durch einfachere ersetzt.
Der Schlosshof, in den Renaissanceschlössern sonst mit Vorliebe von den Architekten als Mittelpunkt der
Décoration betrachtet und nicht selten ähnlich wie in den Klöstern mit einem nach dem Hofe zu offenen Kreuz-
gang umgeben, zeigt hier bis auf einige Sandsteinportale nur wenig decoratives Element. Auch die einst an der
Westseite sichtbaren Stuckmedaillons deckt jetzt ein grauer Kalkputz. Die Façaden sind von grosser Einfachheit,
die Wandflächen glatt geputzt und die architektonischen Gliederungen in Sand- und Gipsstein, sowie geputztem
Mauerwerk hergestellt. Die Fenstereinrahmungen der Ost-, Nord- und Westflügel zeigen im Hofe die klassisch
schlichten Formen der Frührenaissance, während an der strengen Symmetrie des Südflügels entsprechend dem
Charakter der äusseren Südfaçade deutlich der längst zur vollen Herrschaft gekommene Einfluss der italienischen
Renaissance erkannt wird. Was der Hof an Einzelheiten aufzuweisen hat, ist in unserer Schilderung bald aufgezählt.
Der die Mitte der Ostfaçade markirende achteckige Treppenthurm — seine alten, ausgetretenen Steinstufen sind
durch Bohlenbeläge wieder passirbar gemacht oder durch Backsteinrollschichten ersetzt — trägt über seinem Ein-
gänge das herzogliche Wappen mit der Bischofsmütze im Mittelfelde und gefesselten Kriegern in Sandsteinhoch-
relief zu beiden Seiten. Von dem Schlusssteine der rundbogigen Thüreinrahmung blickt uns ein Engelsköpfchen
entgegen, während die Zwickelfelder mit dem Schmucke von Kriegstrophäen ausgefüllt sind. Am Fries liest man:
„anno 1664". An der Hoffaçade des Nordflügels begegnen wir ebenso wie an der äusseren kleinen Dachgiebeln,
die noch theilweise die Formen der deutschen Renaissance zeigen. Wie aussen, so ist auch hier der Verwitterungs-
process schon so weit vorgeschritten, dass die im Danske Vitruv von ihnen gegebenen Details nicht mehr
wiederzuerkennen sind. Am Ostende des Nordflügels befindet sich ferner der Aufgang zu dem sogenannten
Hirschsaal. Das Portal ist von zwei korinthisirenden Lisenen eingefasst, die Eckzwickel der Thüreinrahmung
zeigen zwei wenig schön gearbeitete Frauengestalten mit Füllhorn und Kranz. Ueber dem Thürgebälk aber stützen
zwei Löwen einen mit der Krone und dem verschlungenen Namenszug Christian Albrecht’s und Amalia’s ge-
schmückten Schild. Ein zweiter Schild, eine Krone und zwei gegenübergestellte HF tragend, befindet sich
oberhalb eines ungefähr die Mitte dieses Flügels bezeichnenden Steinbeckens, in das ein Delphin Wasser speit.
Daneben sehen wir das Portal der im folgenden Abschnitt beschriebenen Kapelle des Schlosses (Tafel IX). Auch
hier bemerken wir den üblichen Thürschmuck: die Wappen des Herzogs Adolf und seiner Gemahlin. In einer
1) Vgl. S. 12.
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