Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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Nische X) über dem Portal erblickt man das Bild des Heilands mit der Weltkugel in der Linken. Ein weiterer, am
Westende dieses Flügels befindlicher Eingang mit nach innen sich verengender Leibung, die zwei Nischen für Sitzplätze2)
enthält, ist ohne Einrahmung. Der die Nordwestecke des Hofes einnehmende Treppenthurm erhielt an den beiden
unteren Stockwerken Aussenkanten aus jetzt überputztem Haustein, in den oberen aus gelblichen, gleichfalls be-
deckten Backsteinen — die Bögen sind jedoch auch hier aus Gipssteinen hergestellt — : seine Façade ist durch
schwache Stuckgesimse und Lisenen, die sich übrigens weit besser als die aus dem weichen Sandstein gefertigten
Bautheile erhalten haben, gegliedert. Zu demselben führt über einige Stufen eine Thüre in spätgothischer Sandstein-
umrahmung, die zugleich mit ihren Gesimsen und Profilen auf Tafel XIX zur Darstellung gekommen ist. Die
in dem Thurme schneckenartig ansteigende Wendeltreppe trägt an dem inneren Handlaufe die charakteristischen
Profile der Zeit zur Schau, in der die absterbende Gothik allmählich der andringenden Renaissance wich. Wir
haben nicht nöthig, die Vorbilder dieser Treppe mit Robert Dohme3) in Frankreich zu vermuthen. Weisen doch
die hausteinreichen Gegenden Mittel- und Süddeutschlands deren genügend auf, wie z. B. die Wendelsteine im
Schlosse zu Meissen! Die tiefunterschnittenen gothischen Profile aber, die wir an diesen Theilen des Schlosses
wie auch sonst finden, sind für den trüben nordischen Himmel, dessen Sonnenlichtstärke speciell hier in Schleswig
sich zu der Neapels wie 7}:12 verhält, besonders geeignet; sie bewirken nämlich deutlichere Linien und tiefere
Schatten. Die Westseite des Hofes wird durch schwache, in der Höhe des Sockels auf Consolen aufsitzende und
bis zum Hauptgesims reichende Lisenen, sowie durch Gesimse in spätgothischen Profilen gegliedert; die Mitte
markirte bis zum Jahre 1871 ein dem an der Ostseite entsprechender, schmucker Thurm, die Laterne genannt,
der in genanntem Jahre durcli eine Pulverexplosion zerstört wurde. An dieser Façade des Hofes ist ferner noch
etwas von dem Medaillonschmuck sichtbar, der in früheren Zeiten wahrscheinlich aucli andere Theile des Schlosses
zierte, aber jetzt unter dem dicken Putz verdeckt ist. Hinter dem Treppenthurme der Nordwestecke haben sich
nämlich in einer Vertikalen über einander, vor Witterungseinflüssen ziemlich geschützt, einige ungefähr Varn im
Durchmesser grosse Stuckmedaillons erhalten, welche meist Männerköpfe in kräftigem Relief wiedergeben (vgl.
Tafel IX). Ebensolche befinden sich in der Brüstungshöhe der zweiten Etage, wo ich sie unter dem starken
Putz entdeckte und theilweise noch gut erhalten fand.
Wir wenden uns nun einer kurzen Betrachtung der Innenräume des Schlosses zu, die wir mit Ausnahme der
Schlosskapelle, deren kunstvolle Ausstattung im nächsten Abschnitt ausführlich geschildert ist, schnell durchschreiten.
Die schlichten Aussenseiten Gottorps liessen ehemals nicht auf den Glanz der inneren Ausstattung schliessen;
jetzt entspricht, wenn man die Schlosskapelle und einige wenige Säle nicht in Erwägung zieht, das Aeussere
dem Inneren. Das Militär ist, wie wir oben gesehen haben, in das alte Schloss eingezogen, der stolze Fürstensitz
ist eine Kaserne geworden, und so hat er manche Umwandlung erfahren müssen. Im Parterre des Südflügels
ziehen sich durch Kreuzgewölbe auf breiten Gurtbögen überspannte, lange Corridore hin, ein Erbstück aus den
Klosterbauten früherer Jahrhunderte, das in deutschen Schlössern vielfach wiederkehrt, während in Frankreich
dafür seit Fr. Mansart und besonders in den Grundrissen zur Zeit Ludwig’s XIV. bequeme Degagements zum
Ersatz dienen. Die südlich dieser Corridore gelegenen, theils mit Balkendecken, theils mit Gewölben überdeckten
Zimmer dienen jetzt dem Militär zu Schlafstätten und sind ihres fürstlichen Schmuckes längst entkleidet 4),
Die mächtigen Keller des Südflügels sind je nach ihrer Bauzeit theils mit Kreuz-, theils mit Tonnengewölben
überspannt (vgl. Tafel VIII). Das bei weitem grösste Interesse nimmt schon der Kapelle wegen der Nordflügel
in Anspruch. Die sämmtliohen Decken der ersten Etage bilden mächtige Kreuzgewölbe, die mehr oder weniger
reich mit Stuckornament geschmückt sind; besonders zeichnen sich die westlich der Kapelle gelegenen Räume,
welche jetzt als Officier-Casino verwendet werden, durch ihre reiche Stuckverzierung aus. Die Motive, die uns
hier begegnen, zeigen sowohl ein phantasievolles Roll- und Cartouchenwerk, wie den ansprechenden heiteren
Schmuck des Barock, schliesslich auch das mehr schwülstige Ornament einer späteren Periode, die es liebt, die
Schlusssteine der Gewölbe als goldbroncirte Pinienzapfen, Trauben oder dergleichen zu bilden (siehe Tafel IX
und XI). Hier und da zeugt in diesen Gemächern mit Ausnahme eines einzigen, in dem, an den Kappen von
barocker Umrahmung eingefasst, Darstellungen gothischer Burgen und Schlösser schwer und wenig günstig
wirken, nur noch eine sporadische Goldbroncirung von der einst reichen, farbenprächtigen Ausstattung; sonst hat der
Tüncherquast — schon seit den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts und in der Zopfzeit — diese mit
!) Der sonst massvolle schlichte Geist der Frührenaissance des Nordens verwandte doch zu decorativen Zwecken in der Architektur schon
frühzeitig gern die antike Bildernische (aedicula).
2) In ganz Mittel- und Süddeutschland war diese Anordnung üblich, während wir dieselbe im Norden aus klimatischen Rücksichten weniger
häufig finden.
s) Vgl. seine Geschichte des Berliner Schlosses.
4) Siehe den Parterre-Grundriss auf Tafel VII, wo auch das Alter der verschiedenen Mauerkörper durch dunklere oder hellere Abtönung
hervorgehoben ist.
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