Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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Eine einfache, hölzerne Wendeltreppe in der Nordostecke der Kapelle führt uns nun zu dem Hauptschmuck
derselben, zu dem „fürstlichen Betstuhl“ J), welcher die ganze Nordseite der Emporen einnimmt.
Die präclitige Façade desselben wird durch fünf weissfarbige, auf Consolen gestellte Säulen, deren unterer
Schaft reiches Schnitzwerk in farbigen Festons, Cartouchen- und figürlichem Schmucke zeigt, wirkungsvoll ge-
gliedert. Vergoldete Löwenköpfe und Masken schmücken die oberen Theile dieser Säulen, während reichvergoldete,
korinthisirende Blätterkapitäle das Gebälk aufnehmen. Zwischen den Säulen befinden sich weibliche Hermen-
gestalten mit den Unterschriften an der Basis: ,Patientia, . Temperantia, Spes, Fides1. Zu beiden Seiten sind hier
die Fenster der Loge aus kleinen, in vergoldetes Blei gefassten Scheiben gebildet.
Aus dem reichen Fries der Façade treten zwei goldene Löwen und zwei weisse Schwäne (Wappenthiere),
letztere goldene Kronen um den Hals tragend, mit halbem Körper hervor. Auch die charakteristischen, das Haupt-
gesimse unterbrechenden und kühn geschwungenen Consol-Voluten bedeckt ein weisser Farbenanstrich, wobei die
feineren Gliederungen wie auch anderswo durch Goldlasur hervorgehoben sind. Das Ganze aber wird von den
Wappen der beiden fürstlichen Stifter (Herzog Joh. Adolf nebst Gemahlin) mit reichem Volutenwerk zu beiden Seiten
bekrönt, unter denen man in Goldlettern auf schwarzem Grunde liest:
VGG IOH ADOLF ERBE ZV NORWEN gXq VGG AVGVSTA GEBORNE AVS KVNNIGLCHEN STAM
HERZOG ZV SCHLESWIG: HOLSTEIN MEN ZV DENNEMARCKEN HERZOGINE ZV SCH-
STORMARN VN DER DITMARSCHEN LESWIG HOLSTEIN STORMARN VN DER DIT-
GRAFE ZV OLDENBORG VN DELME MARSCHEN GRAVINE ZV OLDENBORG VND
ANNO HORST: DOMNI I 16 DELMENHORST 12a).
Ueber den beiden Wappen im Fries der Bekrönung befindet sich links der Wahlspruch des Herzogs: „Ehr
bleibet nach dem Todt“ und rechts der der Herzogin: „Alles wie ess Gott gefeilt“.
Die Aufnahme auf Tafel XIII bringt die überaus reiche und feine Ornamentik, die volle Schönheit und
Anmuth, welche auf diesem Werke ruhen, und in gleicher Weise die Kraft der Reliefs und den Reiz der Gruppirung
glücklich zur Erscheinung. Alle Gliederungen und Ornamente in der Façade und im Innern der Loge sind,
wie dies überhaupt bei besseren Werken der Fall ist, gleichsam in den Stil der Tischlerei und des Holzes
übersetzt und deshalb viel freier und leichter gestaltet. Mit ihrer vortrefflichen Genauigkeit der Gehrungen
und der grossen Sauberkeit ihrer Profile und Kanten bilden diese Arbeiten zugleich ein Muster unserer nordischen
Kunsttischlerei.
Die hier vertretene Holz - Architektur in ihrer geistreichen Durchbildung der Hochrenaissance, wobei an das
Barock nur einzelne Theile, besonders in der Bekrönung der Loge, als Giebel, Voluten u. s. w. erinnern, lässt
die sichere Hand eines erfindungsreichen Künstlers erkennen. Die Massenvertheilung ist glücklich gegriffen; die
Details sind durchaus im Stil einer edlen Renaissance gehalten und fein empfunden3). Doch wirkt ein späterer
Oelfarbenanstrich nicht selten störend.
Das Innere der Fürstenloge4) macht durch seinen grossen Reichthum der schönsten Intarsien und
Schnitzereien an Wänden und Decken, welche durch die neu eingesetzten Butzenscheiben der beiden in tiefen
Nischen befindlichen Fenster ein gedämpftes, grünliches Licht empfangen, und doch die warmen Naturtöne des
Holzes in den verschiedenartigsten Nuancen zu einem reichen, harmonischen Ganzen vereinigen, einen über-
raschenden Gesammteindruck.
An drei Seiten der Loge ziehen sich Wandsitze und durch flachgeschnitzte Hermen gegliederte Täfelungen
herum, welche nach oben durch ein von volutenförmig geschwungenen und triglyphenartig aufgeschlitzten Consolen
unterstütztes Gesimse abgetheilt werden, um sich dann in geneigter Lage bis zur Decke fortzusetzen (s. Tafel XIV).
Die Wandflächen sind von den Fussbänken der Wandsitze an bis hinauf zur Decke in zahlreiche Felder ver-
schiedener Grösse eingetheilt und mit Intarsien geschmückt, wobei die weit ausladenden, kräftig profilirten
Gliederungen einen wirkungsvollen Contrast zu den Intarsien bilden, die aus den verschiedensten feinen und farbigen
Holzarten hergestellt sind, während bei den Schnitzarbeiten Eichenholz verwendet wurde.
In den eingerahmten mittleren Tafeln der Westseite befinden sich kleine Wappenfiguren, wie Ritter zu
Pferde, Löwe mit der Hellebarde (s. Tafel XVII, Nr. 3), Schwan, Nesselblatt, und in den kleineren Feldern
darunter doppelköpfige Adler mit herzförmigem Brustschilde (s. Tafel XVII, Nr. 12 und 17), wobei der Technik
der Intarsia gemäss dasselbe Muster bald auf hellem, bald auf dunklem Grunde erscheint. Die oberen Tafeln
1) VgL die Restauration des Schleswiger Altarblattes und des Gottorper Fürstenstuhls (Original-Bericht der Kieler Zeitung 1884, Nr. 10 273 u. 75).
2) Nach einer Mittheilung des Herrn H. Dose existiren ähnliche Inschriften auf zwei Glasmalereien mit dem Wappen des Herzogs Johann
Adolf (+ 1616) und der Herzogin Wittwe Augusta von 1635 in der Nickel’schen Sammlung zu Kiel.
3) Auch die schöne Ausstattung der Kirchen zu Tondern, Flensburg, Bredstedt, Gettorf, Rendsburg, Barkau, Büchen u. a., sowie die Kunst-
schätze des Thaulow - Museums in diesem Genre und die zahlreichen Epitaphien des 16. und 17. Jahrhunderts mögen hier Erwähnung finden.
4) Der Maler H. Heger aus Hadersleben, z. Z. in München, hat das Innere der herzoglichen Loge im Auftrage fürstlicher Personen
mehrfach in Gel dargestellt.
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