Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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Polypen- und Drachenornament ähnlich stilisirte Köpfe und andere Motive; auch lässt die gewandte Verwendung
des der deutschen und niederländischen Renaissance eigenthümlichen Roll-, Schmiede- und Cartouchenwerks
(s. Tafel XVII) einen deutschen Künstler vermuthen. Auf einzelnen Tafeln findet man endlich beide Kunstrichtungen
geschickt vereinigt. Ausser dem schon erwähnten Blatt- und figürlichen Schmuck sind Vögel, Delphine, aus
Pflanzen und menschlichen Körperformen componirte Phantasiegebilde, Schnüre, mit Quasten und Troddeln ge-
schmückte Stoffgehänge beliebte Motive bei den Intarsien.
Doch nicht allein Künstler haben hier gewirkt, sondern auch einfache Handwerker, ja selbst Lehrlinge
haben mitgearbeitet. Sogar ein wenig geübtes Auge vermag dies sc,hon an der verschiedenen technischen Aus-
führung einzelner mit mehr oder weniger Geschick hergestellten und bereits in früherer Zeit theilweise unschön
restaurirten Intarsien, sowie an der nicht selten auffallend unsicheren Linienführung der Conturen leicht zu erkennen.
Um aber bei dieser Gelegenheit noch von der Intarsia im allgemeinen zu sprechen, so war dieselbe zwar
schon der Antike und der Gothik bekannt, zu selbständiger Bedeutung ist sie jedoch bekanntlich erst mit der
aufblühenden Renaissance gelangt. Sie tritt im Anfange nur als Flächendecoration auf, ohne das Bestreben
nach malerischer Wirkung zu äussern, wobei ihre Motive meist ornamentaler, selten figürlicher Art sind, während
sie in späterer Zeit gern perspectivische Darstellungen, Architekturen, Landschaften, Stillleben, also ganze Gemälde
in den Kreis ihrer Herrschaft zieht.
Wir können diesen Entwicklungsgang theilweise auch an der fürstlichen Loge zu Gottorp verfolgen; dabei
zeigt die Arbeit besonders in dem erwähnten grossen Deckengemälde, sowie an der reichen Hauptthüre zugleich
die Grenzen, Schwächen wie Vorzüge der schon im Niedergang begriffenen Kunst, welche in Florenz, „der
Wiege der Renaissance“, ihre erste Blüthe erlebte.
Mit wenigen Ausnahmen, wie z. B. zu Gottorp, beherrscht die Intarsia die Kunsttischlerei im Norden1) nicht
in dem Maasse wie in Italien, wo ich nur an die als unerreichte Beispiele dastehenden Chorstühle der
italienischen Renaissance des Quattrocento und auch des Cinquecento nach Entwürfen der ersten Architekten
damaliger Zeit zu erinnern brauche.
In der fürstlichen Loge haben wir nocli einen eisernen Ofen zu erwähnen, welcher sich an der Nordwand
daselbst zwischen den beiden Fenstern befindet, und dessen Platten von Jacob Brune gegossen sind. Auf den
beiden Langseiten des Ofens ist in flachem Relief Christus und die Samariterin am Brunnen dargestellt mit der
in lateinischen Majuskeln darunter gesetzten Inschrift: VOM FROLIN VON SAMARIA IOHAN AM4. An
der westlichen Langseiten-Platte steht der Name JACOB BRUNE. Der Eisenguss gehört der guten Spätrenaissance
an und stammt aus nur wenig späterer Zeit wie der Bau des Betstuhles 2).
Die Kapelle, deren sämmtliche Glieder, wie wir sahen, in reichem, farbigem Schmucke prangen, gehört zu
den schönsten Juwelen polychrom ausgeschmückter Räume der Hochrenaissance. Sie bekundet wieder, dass im
Gegensatze zu der einseitigen Auffassung, die durch den falschen Purismus und Klassicismus der ersten Hälfte
des Jahrhunderts erzeugt wurde, die auf wahre Schönheit gerichtete Kunst die Farbe nicht zurückweist, sondern
dass, wie Semper u. a. betonen, der Reiz der Farbe wesentlich „zu allen Erscheinungen des Lebens“ gehört,
wie dies ja auch weder im Alterthum, noch im Mittelalter und in der deutschen Renaissance verkannt wurde.
Gerade in der besten Zeit der hellenischen Kunst gingen Plastik und Malerei Hand in Hand. Legte doch
Praxiteles auf die Bemalung seiner Statuten durch den Maler Nikias den grössten Werth! Man hat die Spuren
von Farbenresten an mehreren Kunstwerken des Alterthums, u. a. auch an dem Hermes von Olympia sowie am
Gigantenfries von Pergamon nachgewiesen, und seitdem wir uns wieder mit grösserer Liebe der Kunst unserer
Väter zuwenden, sehen wir mehr und mehr ein, dass die bemalten Sculpturen der mittelalterlichen Kunst fast
durchgängig bisher nur in Folge unserer Voreingenommenheit gegen die Farbe eine ungerechte Beurtheilung erfuhren.
Die Decke der Kapelle bilden wie in den übrigen Räumen des Nordflügels zwei mächtige Kreuzgewölbe
(s. Tafel VIII), deren Rippen die auf Tafel XIX skizzirte Profilirung zeigen, und deren Kappen vermuthlich in den
vierziger Jahren durch unpassende und stillose, grün gemalte und an verunglückte gothische Krabben erinnernde
Blattwerk - Verzierungen eingerahmt wurden. Die jetzt weissen Gewölbefelder aber dürften im Einklang mit der
reichen, polychrom gehaltenen Ausstattung der Kapelle einst ebenfalls mit hervorragenden Werken ebenbürtiger
Stuccatur und Malerei geschmückt gewesen sein.
An Wichtigkeit überragt, wie wir sehen, die Schlosskapelle alle anderen Theile des ehrwürdigen Baues. Sie
liefert ein Beispiel, wie Mustergültiges die deutsche Renaissance beim inneren Ausbau und in der Holzdecoration
1) Es war schon den Meistern der Renaissance nicht unbekannt, dass gewisse Holzarten, trotzdem sie selbst von grosser Dauer sind,
auf einander zerstörend einwirken. Experimente, die man nach Angabe einiger Specialisten mit Cypresse und Wallnuss, ferner mit Cypresse und
Ceder angestellt hat, sollen dargethan haben, dass beide Holzarten faulen, wenn sie bei einander liegen, und dass die Faulniss sofort aufhört,
wenn sie wieder getrennt werden, so dass nach der Trennung das Holz eines jeden Stammes noch lange unversehrt bleibt.
2) Diese Notiz verdanke ich Herrn H. Dose zu Kiel, welcher während meiner Behinderung in meinem Auftrage Gottorp besuchte.
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